
Verblüffende
Aufnahmen: So sieht ein kristallisierter Tropfen eines Apfels aus –
500-fach vergrössert unter einem Mikroskop. Erkennen Sie links bei Bio
die Apfelbäumchen?
Mikroskopische Bilder zeigen Erstaunliches: Bio-Lebensmittel weisen
harmonische Kristallstrukturen auf, konventionell angebaute geradezu
kümmerliche. Was heisst das?

Hier sehen Sie eine Orange – 400-fach vergrössert.
Der biologische Anbau von Feldfrüchten schont Boden und Umwelt –
das bestätigt die Forschung. Sind Biolebensmittel aber auch gesünder als
konventionell angebaute?Eine britische Studie von 2014 sagt ja, eine
aus den USA von 2012 nein; beide Teams werteten bei der Metastudie
Hunderte internationaler Forschungsberichte aus. Nun eröffnet der
Zürcher Lebensmittelforscher Walter Dänzer ein neues Forschungsfeld im
alten Streit: Er präsentiert Kristallisationsfotos von Lebensmitteln,
die grosse Unterschiede zwischen Bio und Nichtbio aufzeigen.
Sein Labor in Schlieren hat Tröpfchen von 50 Lebensmitteln
auskristallisiert und diese auf einer Glasplatte unter dem Mikroskop
fotografiert. Die entstandenen Bilder sind verblüffend. Bioäpfel zum
Beispiel weisen komplexe, filigrane Kristallstrukturen auf – mit etwas
Fantasie kann man sogar fein verästelte Apfelbäumchen erkennen. Auf den
Fotos von Nichtbioäpfeln hingegen sind nur Bruchstücke davon übrig
geblieben.
Der überraschende Blick ins Innere
Die getesteten Feldfrüchte stammen aus Hofläden, Biogeschäften und
Supermärkten. Von der Gurke bis zur Orange, vom Kopfsalat bis zum Reis
wiederholt sich das Bild: Biolebensmittel zeigen ausgefeilte
Kristallstrukturen, die bei konventionell angebauten Feldfrüchten kaum
mehr vorhanden sind. Und je intakter die Kristalle, «desto intakter die
Ordnungs- und Lebenskraft und somit die Qualität der Vitalstoffe», ist
Dänzer überzeugt. Für ihn sind intakte Strukturen auch ein Indiz dafür,
dass keine Pestizide zum Einsatz kamen. «Die Resultate haben uns in
ihrer Deutlichkeit überrascht», sagt der 67-Jährige. «Wir haben über
10000 Fotos gemacht, und bei Nichtbiolebensmitteln zeigen nur ganz
wenige Bilder einigermassen intakte Kristallstrukturen.»Walter Dänzer
ist in der Bioszene kein Unbekannter. Der Sohn einer Arbeiterfamilie
studierte in Zürich Wirtschaft und Recht und befasste sich für sein
Doktorat mit der Schweizer Agrarpolitik der siebziger Jahre. Den
Richtungswechsel hin zur industriellen Landwirtschaft mit
Massentierhaltung und Chemieeinsatz hielt er für verfehlt. In seiner
Arbeit kritisierte er diese Entwicklung, propagierte stattdessen den
Biolandbau – und erhielt dafür rundweg eine Abfuhr. «Wer sich zu jener
Zeit über Tierethik und Ökologie Gedanken machte, wurde als Spinner, als
naiver Weltverbesserer abgetan», sagt Dänzer, der sich nicht
schubladisieren liess und seinen eigenen Weg suchte.
1981 gründete er die Firma Soyana und brachte als Erster in der
Schweiz eine pflanzliche Fleischalternative auf den Markt. Heute
produziert seine Firma in Schlieren zahlreiche vegane Lebensmittel. Sein
Labor forscht stetig an neuen Produkten. So entstand auch die Idee mit
den Kristallbildern. Dänzer möchte damit «ein Fenster zu neuen
Erkenntnissen aufstossen und weitere Forschung initiieren».
Bio versus Nicht-Bio: Das sagt die Wissenschaft
Bio-Lebensmittel wirken, dafür gebe es klare Hinweise – zu diesem
Schluss kam die britische Universität Newcastle 2014, nachdem sie über
300 Studien ausgewertet hatte. Zum Team gehörte auch Urs Niggli,
Direktor des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau
(Fibl). Die Forscher fanden in Bio-Feldfrüchten und deren Produkten eine
18 bis 69 Prozent höhere Konzentration an Antioxidanzien – die Stoffe
sollen hemmend auf bestimmte Krebsarten und chronische Krankheiten
wirken. Die Bio-Feldfrüchte wiesen zudem im Schnitt eine 48 Prozent
tiefere Konzentration des giftigen Schwermetalls Kadmium auf.
Nicht-Bio-Lebensmittel dagegen enthielten mit viermal so grosser
Wahrscheinlichkeit Pestizidrückstände, zudem 30 Prozent mehr Nitrat und
87 Prozent mehr Nitrit.
Laut der US-Universität Stanford hingegen bringt Biokost keine
signifikanten Gesundheitsvorteile. Fazit nach der Auswertung von 223
Studien 2012: Der Vitamingehalt von Bio- und Nicht-Bio-Kost unterscheide
sich kaum, Fette und Proteine seien ähnlich verteilt. Und bei der
Gruppe, die sich konventionell ernährte, seien Krankheitserreger nicht
häufiger vorgekommen.
Allerdings fand man im Urin von Kindern, die vorwiegend Biokost assen, geringere Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Die Tests dauerten zwei Tage bis zwei Jahre. Langzeitstudien zu explizit gesundheitlichen Aspekten liegen aber nicht vor, was sowohl das britische wie das US-Forscherteam bedauerte.
Allerdings fand man im Urin von Kindern, die vorwiegend Biokost assen, geringere Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Die Tests dauerten zwei Tage bis zwei Jahre. Langzeitstudien zu explizit gesundheitlichen Aspekten liegen aber nicht vor, was sowohl das britische wie das US-Forscherteam bedauerte.

Das ist ein Kopfsalat – 200-fach vergrössert.
Für ETH-Lebensmittelingenieur Hans-Peter Bachmann «zweifellos ein
interessanter Ansatz». Der 50-Jährige ist Institutsleiter bei Agroscope
in Bern, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche
Forschung, und verweist auf eigene Kristallisationsstudien: Ende der
neunziger Jahre untersuchte sein Institut verschiedene Herstellungsarten
von Joghurt. Die Forscher verwendeten Milch aus Demeter-Betrieben,
gaben einmal mehr, einmal weniger Milchpulver bei, variierten die
Erhitzung, entzogen der Milch mit der sogenannten
Ultrafiltrationsmethode das Wasser. Bei letzterem Versuch entstanden die
Bilder mit den am wenigsten verästelten Kristallen. Je schonender
hingegen das Joghurt produziert wurde, desto ausgefeilter war die
Kristallstruktur. Bachmanns Fazit:«Die Unterschiede auf unseren Bildern
sind deutlich. Schwierig aber ist die Interpretation, die Frage nach der
Vitalqualität der einzelnen Joghurtproben.» Dazu hat sein Institut
nicht weitergeforscht, «und anderweitige Untersuchungen sind mir nicht
bekannt».
Der Beobachter legte Dänzers Kristallbilder dem ETH-Agronomen Hans
Rudolf Herren vor, einem international renommierten
Landwirtschaftsexperten, der Gremien wie das Uno-Umweltprogramm berät.
«Die Bilder sprechen für sich», sagt er. «Wir wissen, dass
Biolebensmittel mehr Mineralien, Vitamine und Antioxidanzien enthalten,
ich vermute, dies in den Kristallstrukturen zu sehen.» Klar ist für
Herren: «Konventionell produzierte Lebensmittel weisen messbare
Pestizid- oder andere agrochemische Rückstände auf. Das verändert die
Molekülanordnung – und dies wird in den Bildern sichtbar.»

Das ist Reis – 400-fach vergrössert.
Zwei Pioniere mit Gemeinsamkeiten
Dänzer und Herren wurden im gleichen Monat und im gleichen Jahr
geboren, beide haben in Zürich studiert, beide haben ihren Weg gemacht.
Dänzer wurde Pionier der veganen Ernährung, Herren derjenige der
biologischen Schädlingsbekämpfung: In den achtziger Jahren setzte Herren
in Afrika Schlupfwespen ein, um die Nutzpflanze Maniok vor
Schmierläusen zu bewahren. Damit trug er entscheidend dazu bei, eine
Hungersnot in der Subsahara zu verhindern. Der gebürtige Berner erhielt
dafür 1995 den Welternährungspreis und 2013 den Alternativen Nobelpreis.
Begegnet sind sich die zwei aber nie. Das steht vielleicht noch an.
Herren schreibt aus Washington, wo er derzeit arbeitet: «Ich bin mir
über die interessanten Differenzen der Kristallstruktur von
Lebensmitteln bewusst. Aber ich habe mir nie die Zeit genommen, dies im
Detail zu studieren. Das werde ich, wenn ich pensioniert bin und die
Produkte von meiner eigenen Farm testen kann» – einem Bioweingut in
Kalifornien. Pionier Dänzer wäre der Erste, der mit Pionier Herren
darauf anstiesse.
Hinweis: Die Bilder
stammen aus dem Buch «Die unsichtbare Kraft in Lebensmitteln. Bio und
Nichtbio im Vergleich» von Walter Dänzer; Verlag Bewusstes Dasein, 2014,
272 Seiten, CHF 31.90.
(…)
Gruß an die gut Ernährten
Der Honigmann
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