Kein Entkommen: Eine Fliege sitzt in der Venusfliegenfalle.
Copyright: Stefano Zucchinali, (via WikimediaCommons), CC BY-SA 3.0
(Deutschland) –
Wer bislang glaubte, die fleischfressende Venusfliegenfalle schnappe rein
reflexartig zu, sobald ein Insekt oder Kleinsttier eines ihrer Sinneshaare
berührt, der irrt. Wie eine aktuelle Studie zeigt, plant die Venusfliegenfalle
nicht nur ihre Ernährung sorgfältig – sie kann auch zählen, wie oft ein Insekt
sie berührt, und berechnet daraus den Aufwand für die Verdauung. Selbst
eine Form von Gedächtnis sprechen die Wissenschaftler der Venusfliegenfalle zu.
Wie das
internationale Team um den Biophysiker Professor Rainer Hedrich von der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2015.11.057)
berichten, entscheidet die Pflanze nach Berührung der jeweils drei auf jeder
Fangblatthälfte sitzenden Sinneshaare anhand der Zahl der Berührungen, ob die
Falle zuschnappt und ob die Verdauungssäfte fließen. Die Pflanze, so die
faszinierende Erkenntnis der Forscher, kann also zählen.
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Wird ein
Sinneshaar auf der Venusfliegenfalle nur leicht bewegt, meldet es den ersten
Beutekontakt über ein bio-elektrisches Signal. „Ein einzelnes Signal löst aber
noch keine Reaktion aus – es könnte sich ja um einen Fehlalarm handeln“,
erläutert Hedrich. Doch schon bei der zweiten Bewegung klappt die Falle dann
blitzschnell zu.
Eine Fliege auf einer Venusfliegenfalle – noch ist sie nicht zugeklappt.
Copyright/Quelle: Sönke Scherzer / uni-wuerzburg.de
Würde ein
Beutetier hinzu nun ruhig bleiben und so kein weiteres Sinnes-Signal
verursachen, würde sich die Falle nach einem halben Tag wieder öffnen und das
Opfer könnte entkommen. „Weil die gefangenen Tiere sich aber heftig wehren,
lösen sie dadurch ein wahres Signalfeuer aus, das ihr Schicksal endgültig
besiegelt“, erläutert die Pressemitteilung der Universität
Würzburg.
Dass die
Venusfliegenfalle jedoch offenbar weiterzählen kann, fand Hedrichs Mitarbeiter
Sönke Scherzer heraus: Der Forscher hat gemessen, dass ein gefangenes Insekt in
der Falle rund 60 Signale pro Stunde auslöst. Um diese Berührungsreize zu
imitieren, stieß Scherzer einzelne Sinneshaare ein bis 60 Mal pro Stunde an und
prüfte so, was passiert.
Zum Thema
Das Ergebnis:
„Zwei oder mehr Reize setzen den Signalweg des Berührungs- und Wundhormons
‚Jasmonat JA‘ in Gang. Bei fünf und mehr Signalen aktiviert die Pflanze
zusätzlich in all ihren 37.000 Drüsen die Gene für Verdauungsenzyme. Diese
Aktivierung bleibt aus, wenn vor der mechanischen Stimulierung der
Jasmonat-Signalweg experimentell unterdrückt wird.“ Auf diese Weise konnten die
Forscher also zeigen, dass das elektrische Signal in den Drüsen in ein
hormonelles Signal umgewandelt wird.
Fünf und
mehr Signale kurbeln hinzu sogenannte Transportmoleküle an, wie sie für die
Aufnahme der verdauten Insekten in die Pflanze sorgen. Auf der Suche nach
diesem Mechanismus fiel der Würzburger Doktorandin Jennifer Böhm ein Gen auf,
das sowohl durch die Berührung der Sinneshaare als auch durch das Hormon
Jasmonat aktiviert wird. Sie konnte nachweisen, dass es sich um einen
Ionenkanal handelt, der Natrium transportiert. Dieses Nährsalz fällt beim
Verdauen der Insekten in großen Mengen an.
Berührt ein
Insekt die Sinneshaare (rechts oben) einer Venusfliegenfalle, löst das Signale aus (Aktionspotentiale). Die Pflanze zählt dabei mit und reagiert entsprechend.
Copyright/Quelle: Sönke Scherzer / uni-wuerzburg.de
„Wir haben
uns dann gefragt, ob die Falle berechnen kann, wie viele Kanäle sie für den
Abtransport von Natrium bereitstellen muss“, führt Hedrich aus. Tatsächlich
kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Pflanze genau dies offenbar
kann: „Je üppiger ein Beutetier ist, umso heftiger ist die Gegenwehr und umso
häufiger werden die Sinneshaare gereizt. Die Venusfliegenfalle produziert dann
entsprechend mehr Ionenkanäle als bei einer zaghaften Gegenwehr.“
Sogar eine
Form von Gedächtnis sprechen die Forscher nach ihren Experimenten der
Venusfliegenfalle zu: Laut Hedrich kann sich die Pflanze die Zahl der
Beuteberührungen mindestens vier Stunden lang merken.
In weiteren
Untersuchungen wollen die Forscher die molekularen Grundlagen dieser
Merkfähigkeit erkunden und erfahren, ob die Sinnesleistungen von Pflanzen und
Tieren auf ähnlichen Grundprinzipien beruhen.
GreWi-Dossier
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